METALOG® training tools als Agenten im Dritten Raum

1. Erfolgreich kommunizieren – eine alte und stets neue Herausforderung

Kommunikationstrainer leben häufig von „Kommunikationsunfällen“: vom Scheitern beim Versuch, miteinander zu reden. Von sogenannten „critical incidents“. Die Botschaft ihrer Trainings liest sich nicht selten wie eine Liste von Tabus, die man nicht verletzen sollte, von Fettnäpfchen, in die man nicht treten sollte. Dabei wird eines außer Acht gelassen: das Vergnügen, die Freude, die man selbst in schwierigen Kommunikationsfällen erleben kann, nämlich bei der Entdeckung des anderen. Die Bereicherung, die man erfährt, wenn man sich auf den anderen einlässt. Um diesen Aspekt der Kommunikation besser zu verstehen und zu nutzen, sind die „Strategien des Dritten Raums“ ein noch viel zu wenig genutzter Weg.

Diplomaten betreiben das schwierige Geschäft der Kommunikation schon seit Langem und man kann sicher einiges aus ihrer erfolgreichen Praxis für unser Thema lernen. Der Dritte Raum als ein Bereich, der die Kommunikation zwischen Menschen mit unterschiedlichen Interessen ermöglicht, ist ein klassisches Mittel der Diplomatie. Die Botschaft in einem fremden Land ist ein spezieller Ort – ein Raum, der besonderen Schutz genießt, in dem in der Regel besonders kommunikationsbegabte, kommunikationserfahrene Menschen Dienst tun, um zwischen fremden Kulturen zu vermitteln, ohne dass die beteiligten Partner in ihrer Eigenheit über Gebühr bedrängt werden. Beispiele für Dritte Räume sind aber nicht nur die Botschaftsgebäude in fremden Ländern. Hotels haben generell etwas von einem Dritten Raum, insbesondere die Rezeptionshalle. Oder Verhandlungszimmer. Auch das Vorzimmer zu einem Chefzimmer hat etwas von einem Dritten Raum.

2. Qualitäten des Dritten Raums

Was zeichnet den Dritten Raum in Bezug auf Kommunikation und kommunikative Möglichkeiten aus? Dritte Räume sind flexibel und offen für Begegnungen, auch überraschender Art, sind nach außen hin geöffnet, gleichzeitig geschützt. In dieser Hinsicht sind beispielsweise die französischen Terrassencafés mit ihrer Überdachung aus Glas ein gutes Beispiel. Jeder sieht jeden. Man kann jederzeit hineingehen. Man kann sich dort treffen, ohne große Verpflichtungen gegenüber dem Cafetier einzugehen. Gleichzeitig wird Kommunikation in einfacher Form ermöglicht, erleichtert.

Im Dritten Raum ist die Kommunikation, die Verständigung das Hauptthema. Manchmal ist es das einzige Thema, das dort verhandelt wird. Deshalb gibt es im Dritten Raum viele Informationszeichen einfacher Art oder auch komplexe Unterstützungssysteme, damit Kommunikation funktioniert. Telefone, Bleistifte, Papier, PCs ... „Tools“, wie man heute sagt. Und es gibt Menschen, die bereit sind, bei der Kommunikation zu helfen: Rezeptionisten, Dolmetscher ... Es gibt ganze Berufsgruppen, die man als „Dritter- Raum-Akteure“ bezeichnen könnte, und die darauf spezialisiert sind, die Kommunikation zwischen Vertretern unterschiedlichen Interessen, Firmen oder auch Kulturen zu ermöglichen.

Im Dritten Raum geht man auf die Bedürfnisse des anderen ein. Sicherlich immer wieder gegen Bezahlung, aber auch darüber hinaus ist man bemüht, die Bedürfnisse des anderen zu befriedigen. Es ist eine Art Instant-Kultur, die im Dritten Raum herrscht. Höflichkeit ist eine Regel, Flexibilität eine andere, Offenheit für Neues, Überraschendes eine dritte – vielleicht sogar die wichtigste Qualität, um Kommunikation zu erleichtern. Die Menschen im Dritten Raum kommen dorthin, wissen aber, dass sie wieder weggehen. Der Dritte Raum ist von Bewegung, von Veränderlichkeit geprägt. Er hat manchmal den Charakter des Vorübergehenden. Auch ist man tolerant gegenüber Unverständlichem: Man weiß, dass die Benutzer des Dritten Raums Kommunikationsfragen, Kommunikationsprobleme haben.

Der Dritte Raum ist also ein Bereich, den Menschen intuitiv oder explizit, auf jeden Fall aber temporär, zeitweilig zwischen sich und ihrem Kommunikationsgegenüber einrichten, um dort probehalber zu kommunizieren. Sie verlassen zeitweilig ihre angestammte Kultur A (ihren eigenen Raum) bzw. ihre Kultur B, um probehalber im Dritten Raum (C) ohne großes Risiko des Scheiterns miteinander zu kommunizieren.

Die Vorteile der Kommunikation im Dritten Raum sind auch ihre Nachteile. Vieles, was hier geschieht, geschieht noch im „Alsob“, das später dann, wenn man sich sicher ist, in die Tat umgesetzt werden sollte. Doch dieses Als-ob, diese Fähigkeit, zu tun als ob, birgt ungewöhnliche Möglichkeiten des Lernens, des Kennenlernens, des Erprobens neuer Kommunikations- und Handlungsweisen. Hier wird ganz deutlich die Nähe zum erfahrungsorientierten Lernen sichtbar, wie es die METALOG® training tools ermöglichen. Die „Als-ob-Kompetenz“, wie ich sie nennen will, ist eine menschliche Begabung, deren Gewicht und deren Folgen noch zu wenig erforscht sind. Sie beruht in der menschlichen, auch beim Kind schon vorhandenen Fähigkeit, sich zu „exzentrieren“, wie es der Soziologe Joachim Fischer bezeichnet: sich zum Beobachter zu machen.

3. Über das „Als-ob“

Das Reden und Handeln im „Als-ob“ darf nicht mit der Lüge verwechselt werden. Der Als-ob-Modus hält die Wahrheit sozusagen im Suspens. Übrigens zeichnet sich das meiste, was in der künstlerischen Kommunikation, im fiktionalen Modus abläuft, durch eben diesen Als-ob-Charakter aus. Gleich ob wir einen Roman lesen oder ins Kino gehen, wir erleben Wirklichkeit im „Als-ob“. Auch Handlungen im Dritten Raum, so lässt sich beobachten, sind ein wenig von der Als-ob-Qualität fiktionaler Handlungen geprägt. Diese Qualität ist gerade für die Kommunikation, für Strategien erfolgreichen Kommunizierens wertvoll und sollte bewusst genutzt werden.

Eine ganze Reihe der METALOG® training tools nutzen ganz offensichtlich ihr Potential zur Schaffung von Als-ob-Qualitäten. Besser noch: Sie selbst kreieren Als-ob-Bereiche, die der Nutzer mit Erfolg und Vergnügen erleben kann. Ein gutes Beispiel ist für mich das so einfache und doch höchst kreativ wirksame METALOG® training tool Das Band. Denn man kann mit diesem simplen Tool auf höchst vergnügliche Weise „Koordinieren, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten in Systemen, Zusammenhalten, Rücksichtnehmen, Integration von Schwächeren, Feedbackgeben“ ausprobieren, wie in der Tool-Beschreibung ausgeführt wird.

An dieser Stelle wird eine weitere Kategorie sichtbar, die die Kommunikation im Dritten Raum mitprägen kann: die Kategorie des Spiels. Über die kreative Funktion des Spiels in der menschlichen Kultur wurde seit Huizingas berühmter Studie zum Homo ludens schon viel nachgedacht. Für uns interessant ist die Tatsache, dass auch das Spiel ein Als-ob-Handeln darstellt, wie es charakteristisch für den Dritten Raum ist. Spielhandlungen lösen sich von der Wirklichkeit. Im Spiel kann man Dinge tun, die man in der Wirklichkeit (noch) nicht tun kann.

Die EmotionCards, ein weiteres Tool, erzeugen beim Betrachter Reaktionen, die seine Potenziale, seine Lust zum Handeln probehalber sensibilisieren. Ähnlich mobilisieren die ScenarioCards probehalber Reaktionen und Handlungsmodelle, die überdacht, problematisiert und vielleicht realisiert werden sollten. In jedem Fall wird der Nutzer dazu angestiftet, aus seiner Standardhaltung herauszutreten. Er wird dazu angeregt, probehalber einen Dritten Raum des Handelns anzudenken, zu überlegen und vielleicht zu verwerfen oder zu realisieren.

Huizinga hat uns beeindruckend gezeigt, dass die Fähigkeit zum Spiel eine zentrale menschliche Kompetenz ist, die gleichzeitig kulturschaffend wirkt. Im Spiel können wir Dinge erproben, alltägliche Regeln übertreten. Und trotz seiner Situationsenthobenheit bezieht sich das Spiel auf die Wirklichkeit. Auch das erfahrungsorientierte Lernen als Kern der METALOG® Methode von Tobias Voss macht sich genau diese „Als-ob-Kompetenz“ zunutze, indem es Übungsszenarien entwirft, in denen der Lernende sinnliche Erfahrungen in der Nähe der Wirklichkeit, und doch situationsenthoben durchläuft. CultuRallye oder die Seifenkisten sind Tools, die genau solche Übungsszenarien entwerfen und spielerisch durchexerzieren.

4. Das Dritte-Raum-Prinzip als Ermöglichung erfolgreichen Handelns und Kommunizierens

Wann und wie lässt sich das Dritte-Raum-Prinzip kommunikationsfördernd und handlungserleichternd einsetzen? Wie bereits einleitend erklärt, haben traditionell jene Räume die von uns skizzierte Als-ob-Qualität, die ohnehin speziell für das Aufeinandertreffen von Vertretern verschiedener Interessen – wir können auch sagen: Kulturen – vorgesehen sind: also beispielsweise Beratungszimmer, Hotels, Verhandlungsräume. Hier werden in der Regel Gespräche geführt, die noch nicht die eigentlichen Handlungen vollziehen, sondern vorbereiten. Es wird sehr ernsthaft kommuniziert. Doch alles, was besprochen wird, lässt sich noch einmal revidieren. Die Unverbindlichkeit oder Vorläufigkeit dessen, was in den Verhandlungsräumen passiert, ist unübersehbar und erleichtert die Kommunikation. Und nicht zu übersehen: Das Dritte-Raum-Prinzip macht Spaß.

Das Prinzip, einem Raum zeitweise Als-ob-Charakter zu verleihen, lässt sich ausweiten. Dann etwa, wenn beispielsweise in den angestammten Verhandlungsräumen die Kommunikation stockt, nicht vorankommt. Eine Verlagerung in einen anderen Dritten Raum ist dann hilfreich. Genutzt werden hierzu gerne die Pausen. Verlagert sich die Kommunikation vom Verhandlungsraum in die Mittagszeit, so wechseln die Kommunikationspartner den Rahmen. Die geregelten Kommunikationsvoraussetzungen des Verhandlungsraums werden für eine Zeitlang suspendiert. Man redet über andere Dinge als das eigentliche Thema: das Essen, das Wetter u. Ä. Eine andere Strategie, mit der man einen Dritten Raum aufmachen kann, um ins Stocken geratende Kommunikationen in ein Terrain des Als-ob zu verlagern, ist die Veränderung der körperlichen Haltung der Kommunikationspartner. Man verlässt zeitweise die Sitzposition am Verhandlungstisch und macht einen kleinen Spaziergang. Dabei bewegen sich die Menschen, aufrecht, gehend. Ihre Körperlichkeit kommt anders ins Spiel. Ein klassisches Dritte- Raum-Phänomen, das neue Möglichkeiten der Kommunikation eröffnet. Möglichkeiten, die freilich ebenfalls von der Als-ob-Qualität gekennzeichnet sind. Auch der kurze Wechsel in einen anderen Raum ist sehr zu empfehlen, in dem man „zur Entspannung“ eine kleine Übung mit einem Tool macht, zur Illustration, aber auch zur geistigen Lockerung.

 

Der Dritte Raum sollte die Nutzer idealerweise in einen Zustand der Gelassenheit und der Konzentration versetzen. Sie sollen sich wohlfühlen. Eine gewisse Entspanntheit ist wünschenswert, eine Entspanntheit, die bis zur Heiterkeit gehen kann, die aber nicht die Konzentriertheit, die Aufmerksamkeit aufs Spiel setzen darf. Diese emotionale Prägung des Raums ist normalerweise in Verhandlungsräumen nicht leicht zu realisieren. Deshalb sucht man für diesen Zweck dazwischen immer wieder andere Räume auf, die sie ermöglichen. Räume außerhalb der Ernsthaftigkeit des Verhandlungszimmers: die Hotelbar oder das Restaurant etwa oder auch die Sauna des Verhandlungshotels. Wohlfühlräume könnte man sie nennen.

Ein Hauptthema des Dritten Raums ist die Kommunikation. Daher wird auch dem Small Talk viel Raum eingeräumt. Im Small Talk unterhält man sich über sich selbst und die Möglichkeiten der Kommunikation. Man hält die Kommunikation aufrecht, ohne die Hauptthemen voranzutreiben. Daher ist es durchaus beliebt, im Dritten Raum auf eine Tagesordnung zu verzichten. Die Themen werden assoziativ, ja witzig und geistreich miteinander verknüpft. Privates wird mit Geschäftlichem gemischt. Wichtig ist, dass die thematische Fixierung aufgehoben ist. Das einzige Ziel der Kommunikation des Dritten Raums ist, dass die Kommunikation überhaupt funktioniert.

5. Fazit

Dritte Räume sind Zwischenbereiche räumlicher, zeitlicher oder psychischer Art, die eine wertvolle Freisetzung der Agierenden von den traditionellen Handlungs- und Kommunikationsregeln leisten. Diese Freisetzung setzt Energien zum Lernen, Erproben, Entdecken des Unterschiedlichen frei, die sonst gebunden wären. Die Inszenierung, der Einsatz von besonderen Tools, die Kreation von Dritten Räumen ist eine wertvolle Strategie, die Schwierigkeiten, Hindernisse beim Reden und Handeln transformiert und letztlich auflöst, wenn man sie geschickt genug einsetzt. METALOG® training tools können dabei wertvolle Hilfe leisten.

Prof. Dr. Klaus Dirscherl ist Ordinarius emeritus für Romanistik der Universität Passau und Gründer des Instituts für Interkulturelle Kommunikation. Seit mehr als 20 Jahren ist er als Kommunikationstrainer bei in- und ausländischen Firmen (Frankreich, Spanien, Argentinien, Großbritannien) sowie als Dozent bei Lehrerfortbildungen tätig