Die VUCA-Welt erfahrbar machen:

Das Lernprojekt „Way of Change“

Führung neu denken

Ob in Unternehmen oder in der öffentlichen Verwaltung: Veränderungen in Organisationen sind „komplex“. Doch die Praxis zeigt: Führungskräfte handeln in weiten Teilen noch so, als seien Veränderungen nur „kompliziert“. Dementsprechend managen sie mit althergebrachten Werkzeugen: Sie analysieren, planen, vereinbaren Ziele, beurteilen Leistungen und zahlen Prämien usw.
Dank der METALOG® training tools ist es uns in Kundenveranstaltungen möglich, den wichtigen Unterschied zwischen „kompliziert“ und „komplex“ herauszuarbeiten und erfahrbar zu machen. Die Teilnehmer erfahren hautnah, welche Führung in welchem Kontext nützlich und angemessen ist.

Das Lernprojekt „Way of Change“

In Seminaren zum Thema „Veränderungen“ (Change Management) setzen wir nach der Warming-up-Phase möglichst das Lernprojekt „Way of Change“ ein. Diese gemeinsame, intensive Lernerfahrung bildet den zentralen Kristallisationspunkt des Seminars.
Die anschließende Auswertung des Lernprojekts „Way of Change“ (s. Kasten) bildet die ideale Überleitung zu Inputs wie „Komplexitätsmatrix“, „Führung 4.0“, „Disruptive Veränderungen“, „Phasen der Veränderung“, „Veränderung und Emotionen“, „Bedeutung von Widerstand“, „Konflikte im Team“, „Bedeutung der Kommunikation und Feedback“, „Unterscheidung von Fehler und Irrtum“ etc.

Die klasische Variante

Ausgestattet mit einem Budget von insgesamt 10.000 Euro Spielgeld bekommt das Team den Auftrag, den ihm unbekannten Weg über das Spielfeld von insgesamt 60 Feldern zu finden. Die Ausgaben sollen dabei so gering wie möglich gehalten werden. Folgende Regeln gelten:

  • Zunächst gibt es eine Planungszeit, in der das Team eine Vorgehensweisebespricht.
  • Während der anschließenden Durchführungszeit, in der durch Betreten der einzelnen Felder der richtige Weg zu finden ist, dürfen die Spieler nicht mehr sprechen.
  • Das Spielfeld darf immer nur von einem Spieler gleichzeitig betreten werden. Die einzelnen Spieler müssen das Spielfeld in einer festgelegten Reihenfolge betreten.
  • Bei Betreten eines richtigen Feldes darf der Spieler auf dem Spielfeld bleiben und das nächste Feld seiner Wahl betreten. Die Richtung des nächsten Feldes ist beliebig.
  • Wird das falsche Feld zum ersten Mal betreten, werden keine Kosten fällig (d. h. „Irrtum“). Wird das falsche Feld zum wiederholten Mal betreten, bezahlt das Team dem Spielleiter 1.000 Euro je Feld (d. h. „Fehler“).
  • Bei Bedarf kann das Team Besprechungszeit gegen Bezahlung in Anspruch nehmen (100 Euro/Minute).

Das Team hat das Ziel erreicht, wenn es mit dem vorhandenen Budget den richtigen Weg gefunden und ihn jeder Spieler komplett und fehlerlos beschritten hat. Das Team hat also die Aufgabe, eine Strategie zu entwickeln, um den richtigen Weg zu finden und dabei die Ausgaben so gering wie möglich zu halten. In der Regel gelingt dies den Teams, wenn sie sich konsequent gegenseitig unterstützen, Schwächen Einzelner ausgleichen und gemeinsam aus den Fehlern lernen.

Variante „Way of Change“

Die von der m2m consulting GmbH & Co. KG entwickelte Variante „Way of Change“ besteht darin, dass im Verlauf des Lernprojekts eine Weiche (Feld 5E) aktiviert wird. Sobald der erste Spieler das Schaltfeld (Feld 7C) betritt, stellt sich die Weiche (Feld 5E) um. Ab sofort ist X1 ungültig und der richtige Weg geht nach der Weiche mit den X2-Feldern weiter. Dem Team sind weder das Schaltfeld noch die Weiche bekannt. Auch weiß das Team nicht, dass es solche Felder gibt. Achtung: Sobald das Team realisiert, dass der bisher richtige Weg nicht mehr akzeptiert wird und falsch ist, werden heftige Emotionen ausgelöst und geäußert.
Option: Das Schaltfeld kann mit einem unterschiedlichen Buzzer signalisiert werden.

Beobachtungen und Hypothesen

  • Die Komplexität der Lernprojekts „Way of Change“ wird zu Beginn häufig unterschätzt. Die Strategie und Planung fällt dementsprechend unzureichend aus und muss während der Durchführung nachgebessert werden.
  • Die Emotionen nach der Weichenstellung sind kennzeichnend für – v. a. disruptive – Veränderungen: Sowohl der Einzelne als auch das ganze Team fühlen sich als Opfer, erleben sich ausgeliefert und zunächst handlungsunfähig.
  • Die Veränderung, das Unternehmen, die Führungskräfte werden in Frage gestellt. Auch innerhalb des Teams kann es Vorwürfe geben, wie „Du bist schuld!“, „Ich hab doch gleich gesagt …!“ etc.
  • Es ist herausfordernd, die Emotionen konstruktiv zu teilen und zu nutzen. Dies besonders dann, wenn erst sehr spät bzw. kein (Gesprächs-)Raum geschaffen wird.
  • Die Zuversicht, die Leistungsbereitschaft und die Leistung gehen in den Keller. Der Stress und die emotionalen Reaktionen steigen. Ein Teufelskreis eines negativen Mindsets kann beginnen.
  • Nach einer gewissen Zeit sind die erlebten Emotionen häufig der entscheidende Auslöser, sich auszutauschen und nach Handlungsoptionen zu suchen. Dies ist der springende Punkt für den Erfolg des Teams.

Interventionen und Tipps für Kollegen

  • Für den Trainer kann die Situation der Weichenstellung eine Herausforderung sein. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Emotionen einzelner Spieler auch in Richtung des Trainers entladen.
  • Deshalb ist es für den Trainer besonders nach der Weichenstellung wichtig, (nonverbal) zu vermitteln, dass alles seine Richtigkeit hat.
  • Erklärungen oder Vorschläge (z. B. Besprechung) sollte der Trainer nur im Ausnahmefall einbringen, wenn z. B. das Team die Weiterarbeit verweigert. In einem solchen Fall empfehle ich, dass der Trainer sanft, aber bestimmt zur Weiterarbeit auffordert, um dem Team die anschließende Reflexion und Auswertung zu ermöglichen. Dies ist einfacher, wenn die kritische Phase in einen Erfolg mündet.
  • In der Auswertung ist es wichtig, dass diese Phase gründlich aufgearbeitet wird. Das Vertrauen, das möglicherweise – im Rahmen des Lernprojekts – ins Wanken geraten ist, darf nicht auf die reale Beziehung übertragen werden.

Auswertung und Lernerfahrungen für den Berufs- und Führungsalltag

In der Auswertung des Lernprojekts „Way of Change“ geht es darum, die VUCA-Welt erfahrbar zu machen, Führung neu zu denken und für den Alltag nutzbar zu machen:

  1. Agilität statt starrer Planung: Für komplexe Herausforderungen kann es keinen perfekten Plan und keine Best-Practice-Lösungen geben. Es ist nützlich, für Bewegung zu sorgen und („nur“) den nächsten (experimentellen) Schritt zu gehen. Abstand, Intuition und Vision sind dafür wichtig.
  2. Nachbessern statt Perfektionsstreben: Planung ist in Ordnung, doch Nachbessern ist aufgrund der Nicht-Vorhersehbarkeit und der zahlreichen Wechselwirkungen unverzichtbar und normal.
  3. Vernetzung statt Hierarchie: Jenseits formeller Strukturen ist der transparente Austausch quer über Ebenen und Bereiche wichtig. Aufgabe der Führungskräfte ist es vor allem, für die nötigen Kommunikationsräume, einen Dialog auf Augenhöhe sowie für Feedback zu sorgen.
  4. Reputation statt Macht: Es ist von Vorteil, wenn Entscheidungen dort getroffen werden, wo die Kompetenz sitzt (z. B. in Projektteams) und nicht zwangsläufig dort, wo die disziplinarische Verantwortung und hierarchische Macht liegen.
  5. Moderation statt Manipulation: Im agilen Unternehmen wandelt sich die Rolle des Chefs. Er hat als lösungsorientierter Moderator Mission, Vision und Strategie des Unternehmens im Blick und sorgt dafür, dass Entscheidungen innerhalb dieses Rahmens getroffen werden.
  6. Team- statt Einzelintelligenz: Um Komplexität annähernd zu erfassen, braucht es Diversität, Austausch und Perspektivenwechsel.
  7. Mindset statt Schnellschuss: Der Austausch über Betroffenheit und Befindlichkeit kann helfen, wieder Zuversicht zu erreichen.
  8. Verantwortungsübernahme statt Opfermentalität: Eine Entscheidung, ob man Opfer sein oder Verantwortung übernehmen möchte, ist wichtig.
  9. Fehler nein – Irrtum ja: Fehler kann es nur dort geben, wo es das eine Richtige gibt. Da komplexe Systeme einmalig sind und es kein „richtig“ gibt, gibt es auch keine Fehler, höchstens Irrtümer. Die Suche nach einem „Schuldigen“ hilft nicht. Führungskräfte haben die Aufgabe, Irrtümer zu riskieren und gemeinsam daraus zu lernen.
  10. Vertrauenskultur: Beziehungspflege auf Basis von Vertrauen. Wo Menschen integer handeln, Vereinbarungen einhalten, sich gegenseitig unterstützen und offen miteinander kommunizieren, kann Vertrauen wachsen. Kontrolle im Sinne von Monitoring bleibt unverzichtbar.

Ulrich Mahr ist Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung m2m Consulting GmbH & Co. KG in Ettlingen/ Karlsruhe. Er ist mit seinem Beraterteam als Veränderungsbegleiter zu den Themen Führung, Kommunikation und Change tätig. Ulrich Mahr ist Preisträger des METALOG® Trainingspreises 2016 in Silber.


Begründung der Jury

M2M Consulting erhält für die Entwicklung und Anwendung von „Way of Change“ den METALOG Trainingspreis 2016 in Silber. Die Jury wurde durch folgende Punkte überzeugt:

  • Ganz im Sinne der METALOG Methode wurde das METALOG training tool Pfadfinder für das Thema „Change“ maßgeschneidert und so für die Kultur und Denkwelt verschiedener Kundengruppen angepasst. Herausragend war die Entwicklung einer eigenen Variante mit Weiche und Schaltfeld, die ideal dem Thema Change dient.
  • Auffallend waren die verschiedenen Inszenierungen desselben Tools für die unterschiedlichen Zielgruppen und dabei die Art wie mit Dogmen und Glaubenssätzen gearbeitet wurde.
  • Ebenfalls auffallend war wie „Way of Change“ als Erlebnis eingesetzt wurde, um die Theorien zum Thema Change vorzubereiten.
  • Auch in der Reflexion überzeugte die Vorgehensweise von M2M. So wurde aus den Erfahrungen zum Beispiel generalisiert, dass Nachsteuern zum Changeprozess dazugehört. Offensichtlicherweise ist es gelungen von einem statischen Denken über Change hin zu einer prozeßhafteren Entwicklung im Umgang mit Veränderung zu kommen.
  • Besonders beeindruckte die Jury wie M2M Consulting die Emotionen während des Lernprojekts für den Lernprozess utilisierte. Konkret: Das emotionale Infrage stellen der Aufgabe und des Trainers nach dem Betreten des „Schaltfeldes“ sind isomorph zu typischen Verhaltensweisen im Veränderungsprozess. Die Nutzbarmachung dieser Lernerfahrung ist für die Lernenden äußerst hilfreich.

Insgesamt zeigte M2M Consulting eine ausgeprägte Expertise im Bereich Change und in der erfahrungsorientierten Aufbereitung dieses Themas für die Kunden. Beeindruckend ist hier wie viel Enthusiasmus und Mut in die Entwicklung der Variante des Pfadfinders eingeflossen ist!